Freitag, 31. Januar 2014

Kraftlose fromme Begierde nutzt wenig

7. Ich sage, mit wahrer und entschlossener Begierde, denn die unkräftigen Begierden nützen wenig, womit sich träge Seelen einwiegen, die zwar immer gehen, aber auch nicht einen Schritt auf Gottes Wegen tun. 
Von diesen redet Salomon, da er sagt: Der Faule will und will nicht (Prov. 13,4), und an einem anderen Orte: Begierden töten den Faulen (Prov. 21,35). 
Eine kalte Seele hat eine Begierde nach Vollkommenheit; sie entschließt sich aber nie die Mittel zu ergreifen, um sie zu erlangen. Einerseits will sie selbe, da sie sieht, wie wünschenswert die Vollkommenheit ist; andererseits will sie nicht, da sie die Mühe
und Arbeit betrachtet, die man anwenden müsste, um zu ihr zu gelangen: daher will sie die Vollkommenheit, sie will sie aber doch eigentlich nicht, sie verlangt dieselbe, aber verlangt sie nicht kräftig. 

Wenn sie doch ja heilig zu werden verlangt, so verlangt sie es durch Mittel zu werden, die über ihren Stand sind; sie sagt: O, dass ich doch in einer wilden Einöde wäre, ich würde stets beten und  Bußwerke verrichten! O, dass ich in einem Kloster wäre,ich wollte mich gern in eine enge Zelle einschließen und meine Gedanken mit Gott allein beschäftigen! Wäre ich recht gesund, so wollte ich viele Leibeskasteiungen vornehmen. 
Ich wollte, ich wollte! spricht die kalte Seele, und indessen erfüllt die armselige jene Pflichten nicht, die sie nach ihrem gegenwärtigen Stande hat. Sie betet wenig, ja sie unterlässt nicht selten sogar das wenige schlechte Gebet; sie geht selten zum Tische des Herrn; geht wenig in die Kirche, erträgt mit geringer Geduld und mit geringer
Ergebung in den Willen Gottes, das Ungemach der Krankheiten; sie begeht, mit einem Worte, alle Tage vorsätzliche Fehler mit offenen Augen, und begehrt ganz und gar nicht diese zu verbessern. 

Was wird es wohl dieser Seele helfen, dass sie so viele, ihrem gegenwärtigen Stande unmögliche Dinge verlangt, da sie doch die Pflichten, die sie wirklich hat, versäumt? Die Begierden töten den Faulen. 
Derlei unnütze Begierden werden sie nur um so gewisser zu Grunde richten; denn sie wird sich fruchtlos an denselben weiden, und darüber die Mittel außer Acht lassen, die sie gleich jetzt zur Erlangung der Vollkommenheit und ihres ewigen Heils ergreifen sollte. Diesbezüglich hat der heilige Franz von Sales so weise gesprochen: „Ich heiße es nicht gut, dass eine Person, welche zu einer Pflicht oder zu einem Berufe gehalten ist, nach einer anderen Lebensart ein Verlangen trage, außer nach der, die ihrem Amte gemäß ist, oder dass sie nach anderen, mit ihrem gegenwärtigen Stande unverträglichen Übungen sich sehne: weil dies das Herz zerstreut und in notwendigen Übungen träge macht." 

Überdies erinnert die heilige Theresia: „Der Teufel macht uns glauben, dass wir irgend eine Tugend, zum Beispiele die der Geduld, schon haben, weil wir uns entschließen, viel für Gott zu leiden, und es dünkt uns, dass wir wirklich jede Widerwärtigkeit erdulden würden; wir sind vergnügt, weil uns der Teufel dazu hilft, dass wir dies glauben. 
Ich ermahne euch, dass ihr aus diesen Tugenden nicht viel Aufhebens macht, noch euch einbildet, dass ihr sie außer dem Namen nach kennt, so lange nicht die Probe und das Werk selbst sich zeigt; denn es wird geschehen, dass auf ein einziges Wort, das euch Verdruss verursacht, die Geduld in Trümmer gehe." 

8. Wir wollen jetzt zur Übung der Mittel kommen, denn die Übung ist ja am Nützlichsten.