Samstag, 1. Februar 2014

Das fünfte Mittel: nicht kleinmütig werden

10. Der Christ soll fünftens, nicht kleinmütig werden, wenn er sieht, dass er jenen Grad von Vollkommenheit noch nicht erlangt hat, nach welchem er doch verlangt. Dies wäre eine große Versuchung des Teufels. Der heilige Philipp Neri pflegte zu sagen: "Heilig zu werden ist nicht Geschäft  eines einzigen Tages." 

In den Geschichten der Väter wird erzählt, dass ein Mönch, nachdem er mit großem Eifer ins Kloster getreten, nach einiger Zeit lau geworden sei; da er aber zum ersten Eifer zurückkehren wollte und sehr bekümmert war, weil er nicht wusste, wie er wieder auf den guten Weg kommen solle, ging er zu einem der älteren Väter. Dieser tröstete ihn und erzählte ihm, um ihn aufzumuntern, folgende Parabel: 
Ein Vater befahl seinem Sohne, einen Acker umzuarbeiten, der voll Dornen und Unkraut war. Als der Sohn die große Arbeit sah, die zu einem solchen Werke erfordert würde, legte er sich, voll Kleinmut, niedergeschlagen, unter einen Baum, und schlief ein, statt zu arbeiten. 
Dann entschuldigte er sich bei dem Vater und sagte: er getraue sich nicht, die Arbeit auf sich zu nehmen. Der Vater antwortete: "Sohn, ich verlange von dir nicht mehr, als dass du alle Tage einen Fleck umarbeitest, der nicht größer ist, als dass du darauf liegen kannst." So hat es der Sohn zu machen angefangen und auf diese Weise ist in kurzer Zeit die ganze Strecke von allem Unkraut gesäubert worden. 
Wie sehr dient diese Parabel, uns Mut einzuflößen, auf dem Wege der Vollkommenheit tapfer fortzuschreiten! Es reicht hin, dass der Mensch eine lebendige Begierde und ein ernstes Streben hege, und sich Gewalt antue, vorwärts zu gehen, weil er dann mit der göttlichen Gnade dahin gelangen wird, die Vollkommenheit, nach der er trachtet, zu erlangen. 

Der heilige Bernardus sagt, dass die fortgesetzte Mühe, die eine Seele anwendet, zur Vollkommenheit zu gelangen, schon die Vollkommenheit sei, die man in diesem Leben erlangen kann. Deshalb trage man Sorge, die gewöhnlichen Übungen, das gewöhnliche Gebet, die gewöhnlichen Kommunionen, Abtötungen nicht zu unterlassen, besonders zur Zeit der geistlichen Trockenheit und  der innerlichen Verlassenheit; denn zu dieser Zeit prüft der Herr die getreuen Seelen, ob sie, ungeachtet aller Leiden und Beschwernisse, welche sie in ihrer Finsternis fühlen, dennoch jenes getreulich in's Werk zu setzen und zu üben fortfahren werden, was sie im Überflusse der himmlischen Tröstungen getan haben.