Samstag, 1. Februar 2014

Das vierte Mittel, um Vollkommenheit zu erlangen

9. Vollkommenheit zu erlangen, hilft viertens sehr das Mittel, dessen sich der heilige Bernardus bedient hat, um sich anzueifern. Surius schreibt, der heil. Abt habe die Worte: „Bernard! wozu bist du gekommen?"* stets im Herzen und oft im Munde gehabt.

So sollte jeder Christ zu sich selbst sagen: Warum bist du durch die heilige Taufe in die Kirche gekommen? Ist es nicht geschehen, das ewige Heil zu erringen ? Aber ich werde nicht nur nicht heilig, sondern setze mich durch ein laues Leben der Gefahr aus, ewig zu Grunde zu gehen. — 


Ich will hier erzählen, was sich mit der ehrwürdigen Schwester Hiacintha Marescotti zugetragen, die in dem Kloster des heiligen Bernardinus in der Stadt Biterbo, ein laues und träges Leben führte. Als sie dem P. Bianchetti, einem Franziskaner, als außerordentlichen Beichtvater, beichten wollte, redete sie der gute Pater mit diesem Worte des Ernstes an: "Sie sind eine Klosterfrau? Nun so mögen Sie wissen, dass der Himmel nicht für eitle und hoffartige Klosterfrauen gebaut ist." Hiacintha antwortete: "So habe ich denn die Welt verlassen, um mich in die Hölle zustürzen?" "Ja", antwortete Bianchetti, "das ist die Wohnung, in welche diejenigen Klosterfrauen gehen, die im Kloster wie Weltleute leben."
Da Schwester Hiacintha sich dieses zu Gemüte führte, ward sie zur Reue bewegt, beichtete mit Tränen ihren vorigen Lebenswandel, und sing an, die Wege der Vollkommenheit eifrig zu betreten. — 

O wie nützlich ist der Gedanke an die Hölle, um eine Seele aufzuwecken und zu spornen, auf dem Tugendwege vorwärts zu gehen, und die Beschwerden auf dem Wege des Heils großmütig zu überwinden. 
So oft ihr, christliche Seelen! in der Haltung der Gebote Beschwerden empfindet, sprecht: Ich bin nicht hier, um meinen, sondern Gottes Willen zu tun. 
Wenn ihr verachtet werdet, oder einen Verweis bekommt, sagt: Ich bin eben deshalb da, um wegen meiner Sünden, wie ich es verdiene, verdemütigt, und auf diese Weise meinem Heilande angenehmer zu werden, der auf Erden so sehr verachtet worden ist. Dies heißt Gott leben und der Welt sterben. 
Darum fragt euch zum Schlusse, was es nütze, ein Christ sein, wenn man nicht christlich lebt, und durch ein fahrlässiges Leben sich der Gefahr aussetzt, ewig verdammt zu werden.

*Antwort des Katechismus (und des hl. Bernhard) darauf: siehe hier