Freitag, 14. Februar 2014

Der hl. Thomas von Aquin über Sünden der Bosheit gegen Gott

4. Hier ist außerdem zu merken, dass, wenn eine frömmere und von den bösen Gelegenheiten zu sündigen mehr entfernte Seele in eine Todsünde fällt, ihr Fall sie in größte Gefahr bringt, von Gott verlassen zu werden, denn ihre Sünde ist eine Sünde reiner Bosheit; denn sie sündigt nach so vielen Predigten, Kommunionen, Betrachtungen, Beispielen frommer Christen, Ermahnungen der Beichtväter und Vorgesetzten; sie kann sich daher nicht mit Unwissenheit oder Schwachheit entschuldigen, weil ihr so viele Erleuchtungen und so viele Mittel zuteil wurden, um sich stark zu machen, wenn sie gewollt hätte.*

Nach der Lehre des heiligen Thomas von Aquin ist eigentlich jene Sünde eine Sünde der Bosheit, welche man mit vollkommener Erkenntnis ihrer Hässlichkeit begeht. 
Darum bringt eine solche Sünde einen großen Fall: weil, je größer das der Seele verliehene Licht gewesen ist, um so größer wird auch die Verblendung sein wird. Überdies sagt der englische Lehrer**, dass die Sünde an Gewicht wachse, je größer die Undankbarkeit dessen ist, der sie begeht. Mit welchen Gnaden, Gunsterweisungen, Wohltaten hat nicht Gott eine christliche Seele überhäuft? 

Wer auf der Ebene fällt, wird sich nicht ein großes Übel zufügen; wer aber von einem hohen Berge fällt, von dem sagt man nicht, dass er falle, sondern dass er stürze. „Ein Sturz, der von der Höhe geschieht," sagt der heilige Ambrosius, „endet mit einem schweren Falle." 
Dasselbe sagt Gott durch den Mund des Propheten Ezechiel: Ich habe dich auf den heiligen Berg Gottes gesetzt, und du hast gesündigt, darum habe Ich dich von dem Berge Gottes herabgeworfen, und zu Grunde gehen lassen (Ezechiel, 28, 14 und 16).

* Anmerkung: Dieser Abschnitt erklärt, warum es so schlimm ist, wenn Priester und Ordensleute in eine Todsünde fallen, worauf der hl. Alphons auch eindringlich in seinem Priesterermahnungsbuch hinweist. Wer Theologie studiert hat, und sich dennoch zum Sündigen entschließt, ist schuldiger, weil ihm mehr Erleuchtung u. a. darüber zuteil geworden ist, was eine Sünde ist: eine Beleidigung Gottes. Man kann nicht genug darüber betrachten, wie monströs es ist, Gott absichtlich beleidigen zu wollen, auch in nur "kleinen" Dingen, d. i. in mit Absicht begangenen läßlichen Sünden.
Der Abschnitt erklärt wohl auch die Ursache der seit Jahrzehnten allgemein zu beobachtenden Verblendung unter dem Welt- und Ordensklerus.

** so wird der hl. Thomas bezeichnet: Doctor angelicus, der englische Lehrer (abgeleitet von "Engel").