Montag, 24. Februar 2014

Viertes Hauptstück : Über Abtötung, Selbstverleugnung und Eigenliebe

Von der innerlichen Abtötung oder Selbstverleugnung

1. Es gibt zwei Arten der Eigenliebe, wovon eine gut, die andere lasterhaft ist. Die gute Eigenliebe ist jene, vermöge welcher wir nach dem ewigen Leben trachten, zu dem wir von Gott erschaffen sind. Die lasterhafte Eigenliebe ist dagegen jene, mit welcher wir uns irdische Güter zum Nachteil der Seele und mit Beleidigung Gottes zu verschaffen streben. 
Der heilige Augustinus sagt: „Die himmlische Stadt wird von der Liebe Gottes bis zur Verachtung unserer selbst gebaut. Die irdische Stadt wird von unserer Eigenliebe bis zur Verachtung Gottes gebaut." 

Der göttliche Heiland sprach: Wenn jemand Mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst (Matth.16,24).
Die Vollkommenheit einer Seele besteht also in dem Streben, sich selbst zu verleugnen. Wer sich nicht selbst verleugnet, der kann Jesus Christus nicht nachfolgen. 

Der heilige Augustinus schreibt: „Die Liebe zu Gott nimmt zu, wenn die böse Begierlichkeit abnimmt; die Liebe wird vollkommen, wenn die böse Begierlichkeit gänzlich vernichtet wird." Das heißt, je weniger ein Mensch seine Neigungen zu befriedigen verlangt, je mehr liebt er Gott; wenn er gar nichts mehr verlangt als Gott, so liebt er Gott vollkommen. 

Wegen unserer durch die Erbsünde verwundeten Natur ist es aber nicht möglich, von den Anfechtungen der Eigenliebe ganz und gar frei zu sein.
Daher muss eine christliche Seele vor allem darauf bedacht sein, dass sie die unordentlichen Regungen der Eigenliebe im Zaume halte und darin besteht die innerliche Abtötung, wie der heilige Augustinus sagt, nämlich in der Beherrschung der Regungen des Gemütes und der innerlichen Neigungen.