Mittwoch, 5. Februar 2014

Wer lässliche Sünden nicht ernst nimmt, fällt leicht in schwere Sünden

4. Da wird mancher sagen: Die läßlichen Sünden werden zwar bewirken, dass ich nicht heilig werde, können mich aber, so viel ihrer auch sein mögen, der göttlichen Gnade nicht berauben, und ich werde trotz der lässlichen Sünden selig werden; mir ist aber genug, dass ich selig werde. —
Wer so redet, der höre, was der heilige Augustinus sagt: Du sagst: es ist Dir genug, dass du selig werdest? Wenn du sagst: es ist genug, so wirst du zu Grunde gehen." 


Um dieses besser zu verstehen und die Gefahr einzusehen, welche die läßlichen Sünden mit sich bringen, wenn sie bedachtsam und aus Gewohnheit geschehen, ist nötig zu wissen, dass die Gewohnheit der läßlichen Sünden die Seele zu schweren Sünden verleitet. Zum Beispiel: die Gewohnheit einen kleinen Hass zu nähren, verleitet zum großen Hass; die Gewohnheit kleiner Diebstähle, verleitet zu großen, und so weiter.

Der heilige Gregorius sagt: „Die Seele bleibt nie dort liegen, wo sie hinfällt, sondern sie fällt immer tiefer." Viele tödliche Krankheiten kommen nicht immer von großen Ausschweifungen, sondern oft von sehr kleinen; und so haben auch viele schwere Sünden öfters ihren Ursprung in läßlichen Sünden. 

P. Alvarez sagte: „Jene kleinen wiederholten Verleumdungen, ein kleiner Widerwille, sträflicher Fürwitz, Ungeduld, Unmäßigkeit, töten zwar die Seele nicht, sie machen sie aber so schwach, dass, sie, wenn eine starke Versuchung hinzukommt, sie keine Kraft mehr hat, Widerstand zu leisten und schändlich fällt." — Die läßlichen Sünden trennen zwar die Seele nicht ganz von Gott, sie entfernen sie aber von Ihm und setzen sie dadurch der größten Gefahr aus, Ihn zu verlieren. 
Da der göttliche Heiland in dem Garten gefangen wurde, wollte der heilige Petrus Ihn zwar nicht verlassen, folgte ihm aber nur von der Ferne nach (Matth. 29, 58).
Viele wollen sich von Jesus Christus durch Todsünden nicht trennen, aber sie wollen Ihm nur von Ferne folgen, indem sie sich der läßlichen Sünden nicht enthalten wollen; wie viele aber von ihnen trifft das widrige Schicksal, des heiligen Petrus der, als er im Hause des Hohepriesters als ein Jünger des Erlösers erkannt wurde, Denselben dreimal mit einem Eidschwur verleugnete.

Der heilige Isidorus sagt: „Gott lässt zu, dass jene, die sich aus läßlichen Sünden nichts machen, zur gerechten Strafe ihrer Nachlässigkeit und geringen Liebe in Todsünden fallen." Dieses hat der weise Mann bekräftigt. Wer das Geringe nicht achtet, wird nach und nach in das Schwere fallen (Ecclus. 19,1).

5. „Denket nicht," sagt der heilige Dorotheus, „die Gewohnheit läßliche Sünden zu begehen, sei ein kleines Übel, sondern betrachtet ihre Folgen. Die böse Gewohnheit ist eine Krankheit, welche das Herz ansteckt, und da sie dasselbe so schwächt, dass es kleinen Anfechtungen nicht widerstehen kann, so nimmt sie demselben auch die Kraft, großen Versuchungen Widerstand zu leisten."
Der heilige Augustinus spricht: „Verachte deine Sünden nicht, weil sie klein sind; sondern fürchte sie, weil ihrer so viele sind; denn es kann dich die Menge derselben erdrücken, wenn es auch ihre Schwere nicht vermag."
„Du gibst Acht," schreibt der heilige Kirchenlehrer an einem anderen Orte, „dass du von der Last eines großen Steines nicht erdrückt wirst; doch hüte dich, dass dich nicht ein Sandhaufen ersticke," nämlich die Menge der läßlichen Sünden, die, wenn sie häufig und so zur Gewohnheit geworden sind, so dass man an keine Besserung mehr denkt, uns die Furcht nehmen, schwere Sünden zu begehen.
Daher hat der heilige Johannes Chrysostomus den denkwürdigen Ausspruch getan, dass wir auf eine gewisse Weise die läßlichen Sünden mehr fürchten müssen, als die Todsünden: weil die Todsünden Abscheu verursachen, die läßlichen aber wenig beachtet werden.
Und so wird die Seele, welche sich daran gewöhnt hat, die kleinen Übel nicht zu achten, sorglos und achtet auch die größeren nicht mehr.

Darum sagt der heilige Geist: Fanget die kleinen Füchse, die den Weinberg verwüsten (Hohelied 2,15). Er sagt: fanget die kleinen Füchse; er sagt nicht: fanget die Löwen, Leoparden, und dergleichen, sondern die kleinen Füchse; denn Löwen und andere wilde Tiere fürchtet man, und sieht zu, dass man sich vor ihnen hüte und dem bevorstehenden Schaden entgehe. Die kleinen Füchse aber werden nicht gefürchtet, und verwüsten die Weinberge, weil sie dort ihre Höhlen bauen, wodurch sofort die Wurzeln der Weinreben verdorren.

So bewirken die fortgesetzten freiwilligen, wenn auch kleinen Sünden, dass die frommen Begierden, welche die Wurzeln des geistlichen Lebens sind, verdorren, und die Seele gerät in den Untergang.