Montag, 3. Februar 2014

Wer sich vor läßlichen Sünden nicht fürchtet, ist in Gefahr

Zweites Hauptstück.

Von der Gefahr einer unvollkommenen Seele, die sich vor läßlichen Sünden wenig fürchtet.

1. Wer einen schönen Garten anlegen will, muss vorher Dornen und Unkraut ausrotten, dann Bäume pflanzen, welche gute Früchte bringen. Dieses hat der Herr dem Propheten Jeremias angezeigt, da Er ihm den wichtigen Befehl gab, Seine Kirche zu pflegen: Sieh, Ich habe dich heute über Völker und Königreiche gesetzt, dass du ausreißen und zerstören, bauen und pflanzen sollst (Jerem. 1,10). Damit ein Christ fromm und heilig werde, muss er sich vor allem befleißen, aus seiner Seele die Fehler auszurotten und Tugenden hineinzupflanzen. 
„Die vorzüglichste Andacht," sagt die heilige Theresia, „besteht in der Ausrottung der Sünden." 
Ich rede hier nicht von den von den schwersten Sünden und Lastern, indem ich von allen, die dieses Büchlein lese, die gute Meinung hege, dass sie von schweren Sünden frei und in der Gnade Gottes sind, fest entschlossen, lieber tausend Mal zu sterben als Gott von Neuem zu verlieren. — 
Um ein ein solches Unglück zu vermeiden, bitte ich euch, christliche Seelen! stets jene höchst wichtige Lehre stets vor Augen zu haben, welche vom heiligen Basilius, von dem heiligen Hieronymus, von dem heiligen Augustinus und anderen Vätern ausgesprochen wurde, und die in der heiligen Schrift gegründet ist, dass nämlich Gott jedem Menschen die Zahl der Sünden bestimmt hat, die Er ihm verzeihen will; weil wir nun diese Zahl nicht wissen, so muss jeder fürchten, dass, wenn er zu den schon begangenen Sünden noch eine hinzufügt, Gott ihn verlasse, und er auf ewig verloren gehe.*

O! welch starken Zaum bildet dieser Gedanke, um dem Betruge zu entgehen, womit Satan die Sünder lockt und bewegt, wieder in die Sünden zu fallen, aus Hoffnung der Verzeihung, indem er ihnen zuflüstert: Hernach wirst du es beichten. 
Wenn jeder Christ diese gerechte Furcht vor Augen hätte, dass ihm nämlich eine neue Sünde vielleicht nicht mehr verziehen werde, o, wie viele würden die alten Sünden nicht wieder begehen, und nie mehr zu ihrem vorigen lasterhaften Leben zurückkehren! Viele Seelen sind schon durch falsche Hoffnung auf Verzeihung zu Grunde gegangen, und unrettbar auf ewig verloren.

*Anmerk. von mir: Das ist ein beliebtes Thema des hl. Alphons in allen seinen Büchern, nämlich die jedem einzelnen Menschen zugemessene, unbekannte Anzahl der schweren Sünden. In seinen anderen Büchern untermalt er diese Glaubenswahrheit mit Beispielen, teilweise von Kindern, die das Vernunftalter erreicht haben und die nach der ersten schweren Sünde tot umgefallen sind, aber auch mit Beispielen von Gewohnheitssündern, die sich daran gewöhnt hatten, ihre schweren Sünden zu beichten und dann wieder zu begehen. Irgendwann war die letzte ihnen zugemessene Sünde erreicht und eine Reue oder gar Beichte vor ihrem Tod war nicht mehr möglich. 
Diese alte Lehre, die wie oben erklärt von den Kirchenvätern und der hl. Schrift gestützt wird, und auch für Gottlose und Heiden gilt, steht ihn krassem Gegensatz zum heute modernen Barmherzigkeitswahn, das einen Gott zeichnet, der sich von seinen Geschöpfen alles gefallen lässt und immer nur verzeiht, egal wie oft er wiederholt beleidigt wird.

In den noch folgenden Kapiteln, wird erklärt, wieso auch die mit Überlegung begangenen lässlichen Sünden so gefährlich sind, auch wenn durch sie der Gnadenstand  noch nicht verloren geht, sie aber die Todsünde vorbereiten.